Die Zeichen stehen auf Breitbau
Bedingt durch die unterschiedlichen Geschmäcker und dem Streben nach Individualität ist eine gewisse Vielfalt in der Tuningszene eigentlich immer gewährleistet. Dennoch gibt es immer wieder Trends, die der Szene ihren Stempel aufdrücken und als „State of the Art“ gefeiert werden. Ich meine damit nicht Modeerscheinungen wie Pinstriping oder Stickerbombing. Diese erleben nach einer gewissen Pionierzeit einen plötzlich einsetzenden und heftigen Boom mit genau so schnellem Ende. Ich persönlich habe prinzipiell gegen keines der beiden Designmittel etwas einzuwenden. Allerdings trifft man auf dem Zenit einer Modeerscheinung den gerade gefeierten Stil bei allen möglichen und unmöglichen Autos an, ungeachtet des jeweiligen Gesamtkonzepts. Der massige Einsatz von Stickern und das Verzieren mit Pinstripes sollte meiner Meinung nach jedoch auch Sinn machen und zum Fahrzeug passen. Nach dem Ende des Hypes ist das wieder öfter der Fall, was ich sehr begrüßenswert finde. Modeerscheinungen sind schnelllebig und daher schwer zu prognostizieren. Mir geht es hier vielmehr um Trends, die tiefgreifender sind und vor allem eine längere Halbwertszeit aufweisen.
Im Moment sehen viele in der Szene den „OEM-Style“ als das Maß aller Dinge an. Am Thema „OEM“ scheiden sich jedoch auch die Geister, weshalb ich diesen auch in einem gesonderten Artikel näher beleuchten werde. Hier soll es sich jedoch um die folgende Frage drehen: „Was kommt als nächstes?“.
Meiner Meinung nach stehen die Zeichen auf Breitbau. Massiv verbreiterte Fahrzeuge prägten bereits in der Vergangenheit das Bild der Tuningszene und ich bin mir sicher, dass dieser Stil, wenn auch in abgewandelter Form, eine Renaissance erleben wird. Zugegeben, die Zeiten, in denen zum Beispiel manchen BMW E30 nur ein Zentimeter Breite zur LKW-Zulassung fehlte, sind lange vorbei. Dennoch verschwanden Autos mit Überbreite nie ganz von der Bildfläche. Gerade bei Performance-orientierten Boliden führt aufgrund der angestrebten Spurbreite oft kein Weg daran vorbei, zumindest die Radhäuser massiv zu erweitern. Es ist keine Seltenheit, dass Tuningfirmen Breitbauversionen von bekannten Fahrzeugen bauen. Und auch im Bereich der Showcars gab es immer wieder Enthusiasten, die sich in irgendeiner Form am breiten Stil der Vergangenheit orientierten. Deshalb sehe ich die momentan in der Szene zu bestaunenden Vertreter dieser Gattung auch nicht als sich bereits ankündigenden Trend. Ich bin vielmehr der Meinung, dass auf einen an Serienform und Originalteilen orientierten Stil das krasse Gegenteil folgen wird. Ich schließe hierbei auch nicht aus, dass umfassende Bodykits plötzlich wieder markenübergreifend „en vogue“ sein könnten.
Man kann darüber streiten, ob die Rückkehr zum Breitbau begrüßenswert ist oder nicht. Letztlich kann man dies aber bei jedem Trend tun. Und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Die Vorteile der Breitbauweise sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Nimmt man zum Beispiel gerade bei kleineren Fahrzeugen ein Motorupgrade vor, das den Einsatz einer größeren Bremsanlage erforderlich macht, ist oft kein Platz für dementsprechend große Räder. Oder aber die Radhäuser bieten keinen Platz mehr für eine optisch ansprechende Tieferlegung. Dann hat der Kompakte zwar Power und entsprechende Bremsen, sieht aber leider aus wie ein Geländewagen. Sind die absoluten Traumfelgen nicht in einer für das eigene Fahrzeug passenden Größe lieferbar, steht man vor ähnlichen Komplikationen. Wenn man extrem breite und großzügig auslaufende Kotflügel konstruiert, vergrößert man nicht nur das Radhaus. Man kann den Radlauf auch entsprechend nach oben versetzen und diesen Problemen damit Abhilfe schaffen. Auch in Sachen „extremer Tiefgang“ könnte ein Breitbau von Nutzen sein. Man stelle sich nur mal ein Fahrzeug mit extremer Breite und entsprechendem Luftfahrwerk vor. Das von vielen angestrebte „Ablegen“ der Karosse auf dem Asphalt ist so sehr viel einfacher zu realisieren.
Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Prognose Recht behalten werde und uns in Zukunft sogar Einser GTI mit Frontmaske, Seitenschwellern, angepassten Türen und 13x13Zoll in den übergroßen Radhäusern blühen. Ich kann mir auch ausmalen, dass mit diesem Trend Geschmacklosigkeiten Tür und Tor geöffnet wären. Aber wenn die richtigen Leute in der Szene sich nach etwas Neuem sehnen, sich dabei auf etwas Althergebrachtes besinnen und dies ins hier und jetzt übertragen, werden andere zwangsläufig nachziehen. Vielleicht kommt es auch ganz anders und Fünfer GTIs mit verchromten Kuhfängern und Sidepipes rocken zukünftig die Szene....aber ich bleibe dabei: Die Zeichen stehen auf Breitbau!
Text und Fotos: B.Planz