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Trabant 601: Reine Familienangelegenheit

4. November 2020
Private-Cars: Trabbi Brachiale!

Der überzeugte Trabbi-Fan Maik Kalsow aus Neuruppin kann sich glücklich schätzen. Bei der Verwandlung eines Trabant 601 zum glänzenden Pokaljäger griff ihm nämlich seine Familie tatkräftig unter die Arme.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit

Als der VW Käfer in den Fünfzigern im Westen Deutschlands bereits für Furore sorgte, kam der Fahrzeugbau im Osten vergleichsweise schleppend voran. Um es der BRD gleichzutun, gab das Politbüro einen Kleinwagen in Auftrag. Dieser sollte sich jedoch nicht am legendären Volkswagen sondern viel mehr am in Bremen gebauten Lloyd orientieren. Im Rahmen einer Umfrage wurde der passende Namen für den Kompakten gefunden: „Trabant“ bedeutet „Begleiter“ oder „Weggefährte“. Brauchbares Blech war Mangelware, weshalb eine Beplankung aus baumwollverstärktem Phenoplast entwickelt wurde. Im Volksmund wird der verbaute Kunststoff seit jeher schlichtweg „Pappe“ genannt. Nach der Produktion eines Prototypen und einer Nullserie fusionierten das Automobilwerk Zwickau und Sachsenring zum „VEB Sachsenring Automobilbau Zwickau“, um den in Großserie gehen zu können. Der Trabant der dritten Generation lief von 1964 bis 1990 fast 3 Millionen mal vom Band wodurch der 601 in der Öffentlichkeit bis heute als „DER Trabbi“ wahrgenommen wird.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Auf großer Fahrt (Bild 1)
Auf großer Fahrt

Der Trabant 601: Vom Ersatzteilspender zum Pokaljäger

Als Maik seinen Trabant 601 für 50€ erstand, ahnte wohl noch niemand, welch rosige Zukunft dem Auto bevorstand. Denn eigentlich sollte das Modell 601 als Teilespender dienen. Doch es kam anders, denn der Zweiradmechaniker hatte ein Herz für den abgetackelten Zwickauer. Er sah nicht nur davon ab, ihn zu schlachten, sondern beschloß sogar, ihm einige kleinere Modifikationen zu spendieren. Mit wachsenden finanziellen Möglichkeiten wurden Maik’s Ziele dann noch ehrgeiziger: Er wollte einen echten Tuning-Trabbi bauen. Um einen sauberen Neuaufbau durchführen zu können, wurde der Trabant 601 komplett in seine Einzelteile zerlegt.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Kultauto in neuem Gewand (Bild 2)
Kultauto in neuem Gewand

„Trabant 601 Tuning: Jahrelange Arbeit”

Im Gegensatz zu den meisten anderen Fahrzeugen besteht die Außenhaut des Trabant 601 wie bereits erwähnt aus Kunststoff. Mit einem Schweißgerät und klassischem Karosseriebau kommt man hier also nicht weit. Stattdessen ist der Einsatz von GFK gefragt, was intensives Harzen, Laminieren und natürlich Schleifen mit sich bringt. Hier kommt Maik’s Bruder Kai ins Spiel. Zusammen wollten die beiden der Karosserie des Trabant 601 einen einzigartigen Look verpassen. Alle Löcher, Sicken und Kanten sollten weichen. Die Regenleiste am Dach sollte ebenso der Vergangenheit angehören. Als ob das nicht schon ehrgeizig genug wäre, sollten außerdem noch die Griffe eines Audi A6 Einzug in die Türen des Trabant 601 halten. Die Brüder machten sich ans Werk und aus Tagen an der Werkbank wurden Monate und schließlich sogar Jahre. Maik warf angesichts dieses Arbeitsaufkommens irgendwann entnervt das Handtuch und war drauf und dran, das Projekt aufzugeben. Kai ließ aber nicht locker und so wurde aus dem Abbruch eine simple Kunstpause. Die geplanten Modifikationen an der Außenhaut wurden durchgeführt. Außerdem wurden Außenspiegel in Tropfenform anlaminiert und eine dritte Bremsleuchte in den Kofferraum des Trabant 601 integriert. Die Raddimensionen, auf denen der Trabant 601 zukünftig rollen sollte, machten Änderungen an den Radhäusern unausweichlich. Deshalb spendierten die Kalsows allen vier Radläufen eine deftige Verbreiterung, die jeweils für satte sieben Zentimeter mehr Raum sorgt. Natürlich wurden auch diese Teile anlaminiert.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Ausnahmsweise kein Blechkleid (Bild 3)
Ausnahmsweise kein Blechkleid

Lange Suche nach der passenden Farbe

Maik suchte lange nach dem passenden Farbton für sein Traumprojekt. Nach langer Suche erblickte er in einem Magazin ein Fahrzeug in „Liquid Silver“ und legte sich fest: Die oder keine! Nachdem der Trabant seinen neuen Anstrich erhalten hatte, durfte sich Bert Galster von Crossover Airbrush noch künstlerisch betätigen. Er verzierte den Wagen mit dezenten Ghost-Brushs. Die Kunstwerke auf Dach, Haube und Flanken des Fahrzeugs sind nur bei bestimmten Lichtverhältnissen zu sehen. Als Designvorlage diente eine Gardine aus einem schwedischen Einrichtungshaus.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Die Ghost-Brushs machen ihrem Namen alle Ehre (Bild 4)
Die Ghost-Brushs machen ihrem Namen alle Ehre

„Trabant 601 aka Trabbi Brachiale!”

Da die Auswahl an Tuningfelgen für einen Trabant 601 doch recht überschaubar bis nicht vorhanden ist, musste sich technisch etwas tun. Die Suche ging nicht lange und schließlich montierten die Brüder an der Vorderachse die Bremsanlage eines VW Golf 1. An der Hinterachse wurde die serienmäßige Trommelbremse beibehalten und passend zu den Teilen aus Wolfsburg auf Lochkreis 4x100 getrimmt. Jetzt konnten endlich die gewünschten Räder Einzug halten. Schmidt TH-Line in 8 und 9x14 Zoll mit einer Einpresstiefe von 18 Milimetern sind fortan für einen glanzvollen Auftritt verantwortlich. Die verbauten Spurverbreiterungen sorgen für beachtliche effektive Einpresstiefen. So kommen die Felgen an der Hinterachse auf ET –2 während das vordere Duo jeweils eine brachiale ET von –42 vorweisen kann. Die mühevoll erweiterten Radhäuser bleiben also keineswegs leer.
Für die Kalsows war klar, dass die „Pappe“ näher an den Asphalt muss. Da man in Zubehörkatalogen vergeblich nach der Kategorie „Trabant 601“ sucht, musste auch hier improvisiert werden. Da Maik’s Model aus dem Jahre 1988 stammt, trumpft er im Gegensatz zu älteren Modellen an der Hinterachse bereits mit Spiralfedern auf. Die Tieferlegung um 40 Millimeter war hier reine Routinearbeit. An der Vorderachse lacht den ambitionierten Tuner allerdings eine Querblattfederung an. Es half alles nichts. Die Blattfeder mußte kurzerhand umgeschmiedet werden. In Verbindung mit härteverstellbaren Dämpfern von Koni geht der Trabbi an der Vorderachse nun sage und schreibe 100 Millimeter in die Knie. Tieferlegung und Verbreiterung geben dem Trabant im Zusammenspiel eine einzigartige Optik.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit:  (Bild 5)

26 PS für den Trabant 601

26 Pferde wiehern unter der Haube des Trabant 601. 2 Zylinder, 2 Takte. So war es und so sollte es auch bleiben. Alle Modifikationen unter der Motorhaube waren rein optischer Natur. So erhielt die luftgekühlte Maschine einen schwarzen Anstrich sowie eine Abdeckung aus Carbon. Ein offener Luftfilter von K&N hielt Einzug. Die Auspuffanlage im TT-Look ist „Marke Eigenbau“. Das Lüfterrad wurde verchromt. Außerdem verläuft der vergleichsweise recht übersichtliche Kabelbaum nun unsichtbar. Um diese Neuerungen optisch ansprechend in Szene zu setzen, befreiten die Brüder die Umgebung von allem unnötigen Schnickschnack. Sogar die Lüftung musste ihren Hut nehmen. Dafür präsentiert sich der Motorraum fortan genauso clean wie die Außenhaut des Trabant 601.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: 2 Zylinder, 2 Takte (Bild 6)
2 Zylinder, 2 Takte

Totalsanierung im Innenraum des Trabant 601

Am serienmäßig spartanisch gehaltenen Innenraum des Trabant 601 fand Familie Kalsow keinen Gefallen. Der erneute Einsatz von GFK war schnell beschlossen. Mit den Strapazen, die dessen Verarbeitung mit sich bringt, waren Maik und Kai ja bereits vertraut. So spendierten die Brüder der „Rennpappe“ ein ernstzunehmendes Armaturenbrett und kreierten zudem eine wahre Multimedialandschaft. Die Fülle an verbauten HiFi-Komponenten hätte nämlich ohne die Kreativität der Kalsows gar keinen Platz im Fahrzeug gefunden. Der Heckausbau, der direkt hinter den Vordersitzen beginnt, spielt also nicht nur optisch eine Rolle. Öffnet man den eigentlichen Kofferraum, erblickt man einen Verstärker der Marke Hifonics und zwei 10“-TFT-Bildschirme. Im Wageninneren thronen zwei Subwoofer, ein Kondensator und ein weiterer Verstärker in dem mühevoll konstruierten Eigenbau. Mit Hilfe von selbst angefertigten Konsolen und Doorboards finden sage und schreibe 6 Mitteltöner, 4 Hochtöner sowie ein Centerspeaker Platz in der Fahrgastzelle. Den Takt gibt ein Radio von Alpine vor. Das Originalgestühl aus Zwickau wurde durch Sitze aus dem sonnigen Italien ersetzt. Ein Fiat Barchetta muß fortan ohne seine beiden Sessel auskommen. Beim Thema „Sitze“ kam nun das weibliche Oberhaupt der Familie ins Spiel. Mutter Kalsow fertigte eigenhändig passgenaue Bezüge aus Leder und Alcantara und bezog die italienischen Stühle auch gleich selbst. Eine Leistung, die sich durchaus sehen lassen kann. Türverkleidungen, Heckausbau und etliche weitere Teile wurden farblich auf das Gestühl angepasst. Zusammen mit den elektrischen Fensterhebern und dem Sportlenkrad geben die Sanierungsmaßnahmen dem Trabant einen nie dagewesenen Komfort. Da kann nicht mal der frühere Luxustrabbi in der Ausstattungsvariante „Sonderwunsch“ mithalten.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Ostdeutsche HiFi-Landschaft (Bild 8)
Ostdeutsche HiFi-Landschaft

 

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit: Hier ist fast nichts mehr so, wie es einmal war (Bild 7)
Hier ist fast nichts mehr so, wie es einmal war

Dauerbaustelle nach 10 Jahren vorbei

Ganze 10 Jahre dauerte es, bis der Trabant 601 schließlich den Status „Dauerbaustelle“ abgeben durfte. Das Familienprojekt, in das neben den beiden Brüdern und ihrer Mutter auch Maik’s Freundin Sylvana und Vater Kaslow involviert waren, kam zur Vollendung. Durch den familiären Zusammehalt konnten auch zahlreiche Rückschläge weggesteckt werden. Probleme wie defektes Werkzeug, wiederspenstiges Material oder gar ein kleiner femverschuldeter Unfall konnten die Kaslows nicht davon abhalten, Maik’s Traum vom Tuning-Trabbi zu verwirklichen. Und auch nach dem tragischen Tod des männlichen Familienoberhaupts ließ sich die Familie nicht unterkriegen. Vielmehr widmeten sie die weiteren Arbeiten an dem Kultauto dem verstorbenen Familienoberhaupt. So sammelt der einstige Teilespender heute Pokal um Pokal. Familienbande eben.

Trabant 601: Reine Familienangelegenheit:  (Bild 9)

Daten und Fakten des Trabant 601

Allgemein
Fahrzeugtyp: Trabant 601
Baujahr:1988

Motor
Art: Zweitakter, Hubraum: 600 ccm, Zylinder: 2
Leistung: 26 PS

Motorraum gecleant, Kabelbaum unsichtbar verlegt, Heizung und Lüftung entfernt, Carbon-Abdeckung, Auspuffanlage im TT-Look (Eigenbau)

Räder
Felgen: Schmidt-TH-Line
Dimensionen: 8x14 ET18 VA, 9x14 ET18 HA

Reifen: Toyo Proxes
Dimensionen: 195/40ZR16 VA, 225/40ZR16 HA

Spurverbreiterung: 60 Millimeter pro Rad VA, 20 Millimeter pro Rad HA

Fahrwerk
Tieferlegung um 100mm VA und 40mm HA

Vordere Querblattfeder umgeschmiedet, abgeänderte Hinterachsfederung,
Edelstahl-Domstrebe vorn

Bremsen:
Bremsanlage VA von VW Golf1, Achsumbau auf LK 4x100, alle Achsteile pulverbeschichtet

Exterieur
Karosserie komplett clean, Tropfenspiegel an Türen anlaminiert, Retro-Stoßstangen, Klarglasscheinwerfer von VW Golf1, Blinker von VW Gol3, Rahmen der Scheinwerfern und Rückleuchten anlaminiert, Kotflügel um ca. 7cm verbreitert, Türgriffe von Audi A6, Regenrinnen & Kederleisten entfernt, Eigenbau-Heckklappenscharniere mit Haubenlifts

Lackierung:
Farbton: Liquid-Silver mit Ghost-Brushs

Interieur
Sitze von Fiat Barchetta mit Leder & Alcantara bezogen, Sportlenkrad, elektrische Fensterheber, GFK-Dachkonsole, Eigenbau-Doorboards, GFK-Armaturenbrett, großer Hifi-Ausbau,

HiFi
Radio:Alpine IVA D310r
Verstärker: Hifonics Zeus & Hifonics 5.1
Lautsprecher: 2x 25er Alpasonic Woofer, 6x Shark Mitteltöner, 4x Hochtöner, 1x Centerspeaker

2x 10“-TFT´s im Kofferraum
10F-Kondensator

Maik dankt:
Bruder Kai, Mutter & Vater, Freundin Sylvana, Bert (Crossover Airbrush) & Schröder Galvanik

Text: B.Planz, Bilder: C.Otto

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