Wenn der Postmann zweimal klingelt: VW Fridolin Tuning Extrem!
Die Deutsche Bundespost beauftragte Volkswagen im Jahre 1962 mit der Entwicklung eines speziellen Wagens, der genau auf die Ansprüche des Unternehmens zugeschnitten sein sollte. Die bis zu diesem Zeitpunkt verwendeten Fabrikate schienen allesamt ungeeignet für den täglichen Dienst in der Postzustellung. Dem Unternehmen schwebte ein Fahrzeug vor, das 2 Kubikmeter und 400 Kilogramm Nutzlast aufnehmen kann. Außerdem wurde Wert auf Schiebetüren gelegt. Volkswagen baute den VW Fridolin weitestgehend aus Teilen anderer, bereits auf dem Markt befindlichen Fahrzeugen wie Käfer, Karmann Ghia und Typ 3. Von Produktionsbeginn im Jahre 1964 bis zur Einstellung genau 10 Jahre später gingen 6139 Fahrzeuge vom Band der Westfalia-Werke in Wiedenbrück. Größter Abnehmer war als ursprünglicher Auftraggeber natürlich die Deutsche Bundespost. Heute existieren weltweit schätzungsweise noch 200 Fahrzeuge des VW Fridolin. Aber selbst, wenn es noch eine Million gäbe: Der Fridolin, den wir euch heute vorstellen, wäre dennoch einzigartig.
VW Fridolin Tuning - 7 Monate Arbeit
Über 5000 Arbeitsstunden hat Ruud Janssen seit 2004 in seinen raren Klassiker gesteckt. Und auch, wenn mancher den Wagen aufgrund seiner drolligen Optik zunächst belächelt: Wenn man den holländischen Extrem-Fridolin näher betrachtet, vergeht einem das Lachen und man erstarrt in staunender Ehrfurcht.
VW Fridolin - Ein Postauto mit 12 Zylindern
Unglaublich, aber wahr: Ruud hat den damals von der Post geforderten Stauraum für einen Motorumbau der extremen Art genutzt. Statt Briefe und Pakete in den VW Fridolin zu laden, hat er nämlich einen W12-Motor in den Kleintransporter gepflanzt. Während der serienmäßig leistungsstärkste Typ 147 mit 1,3 Litern Hubraum und etwas über 43 PS auskommen musste, verfügt Ruud nun über satte 6 Liter Hubraum und 450 PS. Das 12-Zylinder-Triebwerk wurde einem 2004er Touareg entnommen und verhilft dem VW Fridolin zu stolzen 600 Newtonmetern Drehmoment.
Jeder, der bereits einen in der Tuningszene als “absolut machbar” deklarierten und dann doch mit Problemen behafteten Motorumbau hinter sich gebracht hat, wird angesichts dieser Aktion sicher erschaudern. Das Monster-Triebwerk ruht hinter den Vordersitzen unter Plexiglas und wurde so fachmännisch eingebaut, dass es fast schon selbstverständlich wirkt.
Fridolin mit 6-Gang-Getriebe eines Audi A6
Natürlich kommen bei einem solchen Projekt wie Ruuds Fridolin an allen Ecken und Enden Sonderanfertigungen zum Einsatz. Der Motorumbau stellt da natürlich keine Ausnahme dar. Neben unzähligen kleineren Teilen, welches die Anwesenheit des Triebwerks überhaupt erst möglich machen, sorgt eine spezielle Adapterplatte dafür, dass der W12 mit dem 6-Gang-Getriebe eines Audi A6 zusammenarbeiten kann. Auch die Schwungscheibe ist eine Sonderanfertigung. Die hydraulisch betätigte Tilton-Kupplung hält bis zu 800 Ps und 1025 Newtonmetern Drehmoment stand.
Um das nicht gerade alltägliche Motörchen adäquat zu kühlen, kommen 2 Wasserkühler mit 4 Ventilatoren zum Einsatz und auch ein spezieller Ölkühler ist verbaut. Die beiden QSP-Benzinpumpen bringen den Sprit vom Rennsporttank in der Front des Wagens zu den 12 Brennräumen. Die dort produzierten Abgase werden durch eine Magnaflow-Auspuffanlage mit 4 Katalysatoren und 8 Lambdasonden ins Freie transportiert. Features, die der Wagen im Produktionsjahr 1969 sicher nicht an Bord hatte.
Es muss nicht immer “Porsche” sein
Natürlich musste Ruud seinem ehemaligen Postauto auch eine an den Antrieb angepasste Bremsanlage spendieren. Die zweiteiligen 390er- und 360er Scheiben werden von 6- und 4-Kolben-Sätteln aus dem Hause Brembo drangsaliert. Diese hat Ruud traditionbewußt gelb lackiert und der Deutschen Post gewidmet. Ein origineller Hingucker, der auf Events für Schmunzeln sorgt.
Alufelgen sind für den Wagen aus den 1960ern natürlich etwas ganz besonderes. Ruuds Wahl fiel zudem noch auf ein Fabrikat, das man eigentlich eher auf einem amerikanischen Musclecar vermutet. Das Modell “Torq Thrust 2” in 8x20 Zoll unterstreicht poliert den Sonderstatus des Exoten aus Tilburg.
Und da in der Tuningszene nichts ohne eine gewisse Tieferlegung geht, musste auch in Sachen Fahrwerk etwas getan werden. Dass das Wort “Sonderanfertigung” auch hier fällt, verwundert vermutlich niemanden. An der Vorderachse, die aus VW-, Opel-, Ford- und Auditeilen besteht, sorgen horizontal eingebaute Spezialstoßdämpfer aus dem Motorsport für nie dagewesenen Straßenlage. An der Hinterachse hat Ruud Fahrwerkskomponenten eines Audi A6 Quattro verbaut.
Custom meets Racing
Dass der meiste Platz im Inneren des Typ 147 für den monströsen Antriebsstrang reserviert ist, dürfte klar sein. Das Design des für Fahrer und Beifahrer reservierten Raums lässt sich am besten mit den Fremdworten aus der Überschrift dieses Artikels beschreiben: Custom meets Racing!
Nachdem Ruud den maroden Innenraum seines Fridolin saniert und nach seinen Wünschen umgestaltet hatte, stellte der Mann ausTilburg in den Niederlanden ein Arsenal aus Rennsport-Komponenten zusammen, die sonst mit Sicherheit in keinem Postauto zu finden sind. Recaros, Simpson-Gurte, Momo “Drifting” Lenkrad und Rennsportinstrumente verleihen dem Volkswagen aus den 1960ern echtes Racing-Flair.
Natürlich sind auch Schaltung und Handbremse dem Motorsport entliehen. Die Handbremszylinder stammen gar aus einem Audi R8. Außerdem hat Ruud es sich nicht nehmen lassen, den Überollkäfig selbst zu konstruieren. “Von der Stange” war natürlich auch in diesem Fall undenkbar.
Fridolin vom Sanierungsfall zum Showcar
Als dieser Typ 147 im April 1969 als Postauto zugelassen wurde, glänzte er natürlich in gelb. Wie sollte es auch anders sein. Ruud schwebte jedoch ein anderes Design für seinen Wagen vor. Nachdem die umfangreichen Sanierungsarbeiten abgeschlossen waren und die Modifikationen an der Karosserie des Klassikers endlich ein Bild ergaben, wurde das von einem komplett erneuerten Rahmen gehaltene Blechkleid in einen Weißton aus dem Hause Porsche getaucht. Das Braun, welches zusätzlich den Bereich von Dach und Fenstern benetzt, wurde extra gemischt.
Apropos “Fenster”: Bei den meisten der verbauten Scheiben handelt es sich tatsächlich um Originalteile. Bei den Rückleuchten hat Ruud allerdings nachgeholfen. Sie stammen von einem T1.
Live-Erlebnis Fridolin Tuning
Der aufmerksame Leser wird bereits von alleine darauf gekommen sein: Ruud Janssens VW Fridolin ist ein echtes Unikat. Es wäre schon eindrucksvoll genug, einen beinahe 50 Jahre alten Wagen zu restaurieren. Ihn dann auch noch massiv zu modifizieren, obwohl es hierfür quasi keinerlei passende Teil gibt, ist dann schon Wahnsinn. Zur Krönung des Ganzen dann auch noch einen 12-Zylinder-Antrieb zu verbauen, schlägt dem Tuning-Fass dann doch den Boden aus. Wer die Chance hat, den Wagen live zu erleben, sollte nicht schmunzelnd vorüberziehen und stattdessen einen genaueren Blick riskieren. Es lohnt sich! Und Ruud ist auch noch lange nicht am Ende mit seinen Umbaumaßnahmen. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, sollte seiner Facebookseite ein LIKE schenken. Man darf gespannt sein, wie es mit seinem Fridolin W12 weitergeht.
Fridolin Tuning - Update 10. Mai 2014
Mit unserem Artikel über diesen VW Fridolin von Ruud Janssen hatten wir schon zum Jahreswechsel einen sehr guten Riecher. Einige Monate später, bei der Tuning World Bodensee, gewinnt Ruud mit seinem Fridolin W12 den European Tuning Showdown und sichert sich damit den höchsten Titel in Europa.
Technische Daten
Allgemein
Hersteller: Volkswagen, Modell: Typ 147 “Fridolin”
Baujahr: 1969
Motor
Typ: VW W12 Motor, Hubraum: 6,0l, Leistung: 450 PS, Baujahr: 2004
Räder
Felgen: Torq Thrust 2, Dimensionen: 8x20 Zoll
Reifen: Nankang, Dimensionen: 225-30R20
Interieur
Recaro Pro Racer Sportsitze, Simpson Sicherheitsgurte, Momo “Drifting”-Lenkrad, Autometer Pro Tacho, QSP Zusatzinstrumente, Motorsportschaltung und Handbremse, Pedalerie in Sonderanfertigung, Eigenbau-Überollkäfig.